Haushalt 2011 wird abgelehnt.

Fraktionsvorsitzender Peter Christian Schröder fordert "Mehr Demokratie wagen!"

Nachdem der Bürgermeister in der Ratssitzung am 28.09.2010 den Haushalt 2011 einbrachte, stand dieser nun am 30.11.2010 zur Abstimmung. Unser Fraktionsvorsitzender, Peter Christian Schröder, hielt in der Ratssitzung am heutigen Tage folgende Haushaltsrede (es gilt das gesprochene Wort):

Peter Christian Schröder

Peter Christian Schröder

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Regeln und Normen für den aktuellen Haushalt sind derart eng gesetzt, daß es ermüdend wäre, mathematische Summen zu repetieren. Zudem ist es in demokratischen Parlamenten traditionell so, daß eine Haushaltsdebatte nicht nur zur Darstellung eines nüchternen Zahlenwerkes dient. Die Fraktionen nutzen hier vor allem auch die Gelegenheit, das politische Geschehen des vergangenen Jahres Revue passieren zu lassen und ihr Verständnis von Politik vorzustellen.

Ich möchte dabei nicht, wie viele meiner Vorredner, in schlichte Lobhudelei der Verwaltung verfallen. Und auch wenn das Handwerk des Kämmerers in seiner Präzision sicherlich einwandfrei ist, so hätten wir ihm in seinem ersten Jahr doch etwas anderes gewünscht, als die reine Verwaltung und Auflistung von Defiziten.

Für uns jedenfalls stellen sich hier und heute im Wesentlichen vier Fragen:

1. Was war?

Vor knapp 14 Monaten sind wir bei unserem ersten Antritt zu einer Kommunalwahl mit drei Mitgliedern in diesen Rat gewählt worden. Unser wesentliches Ziel war und ist es, durch mehr Transparenz und Offenheit die Bürger an die Hand zu nehmen und ihnen nicht nur das Gefühl, sondern das tatsächliche Erleben zu gönnen, nicht von oben herab regiert zu werden, sondern die Geschicke ihrer Stadt aktiv, transparent und gespickt mit Alternativen zu gestalten.

Die Realität sieht jedoch völlig anders aus. Warum auch immer, finden Sitzungen nicht statt. Tagesordnungen für Sitzungen sind zu kurz und inhaltslos, so daß sich jedem die Frage aufdrängt:

  • Haben wir nichts zu planen?
  • Haben wir nichts zu entscheiden?
  • Haben wir keine Herausforderungen, die strukturell oder analytisch erörtert und gemeistert werden müssen?

Viele Bürger, die uns in unseren Fraktionssitzungen besuchen oder uns in den Sprechstunden ihre Sorgen mitteilen, äußern genau dieses Gefühl des „Regiert werdens“ und uns selbst drängt sich regelmäßig der Eindruck auf, als sei der Rat Beschlußschaffer für Entscheidungen, die an anderer Stelle getroffen werden.

2. Was sollte sein?

Vor über 40 Jahren sprach einer der bedeutensten Politiker unseres Landes den Satz, der vielen Menschen heute noch als Illusion erscheint: „Mehr Demokratie wagen!“ Für uns jedoch und für eine immer größer werdende Schar von Menschen ist das keine Illusion, sondern Grundlage unserer Forderungen. Wir wollen mehr Demokratie! Und wir sehen das nicht als Wagnis, sondern als Aufgabe eines politisch legitimierten Rates in einer Gemeinde, die mit strukturellen, gerontologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen für die Zukunft zu kämpfen hat. Wir werden nicht nachlassen, diese Transparenz, diese Bürgernähe einzufordern.

Einer der ersten Schritte unserer Ratsarbeit war die Forderung, den Bürgern deutlich zu sagen, wie mit ihrem Geld in Unternehmen, an denen die Stadt beteiligt ist, umgegangen wird. Wie nicht anders zu erwarten war, wurde mit diesem Wunsch so umgegangen, als handele es sich um eine Majestätsbeleidigung, daß der kleine Bürger wissen möchte, wie kommen Gebühren zustande, wo landen meine Steuergelder usw. Hier werden wir dennoch nicht nachlassen.

Für die Zukunft haben wir einen Bürgerhaushalt beantragt. Mit Interesse, aber wenig Illusion sehen wir diesem Entscheidungsprozeß entgegen. Wann verstehen Sie, meine Damen und Herren, endlich, daß Sie als gewählte Mitglieder des Rates die erste Pflicht haben, die Interessen der Bürger, die Sie gewählt haben, zu vertreten und zu wahren. Es ist nicht Ihre Aufgabe, im fraktionspolitischen „Klein-Klein“ Beschlüsse herbeizuführen, die an anderer Stelle Entscheidungen legitimieren. Konkret: Wir, meine Damen und Herren, sind Auftraggeber an die Verwaltung und nicht Legitimationsgeber für von der Verwaltung gewünschte Prozesse und Entscheidungen!

3. Was war gut?

Dieser Absatz wird der kürzeste meiner Rede sein, da die Politik der vergangenen Jahre, die in diesem Raum gemacht wurde, uns heute vor die Situation stellt, wie sie der Haushalt für das kommende Jahr beschreibt. Die Gestaltungsspielräume sind gleich null!

Zwei positive Elemente sind jedoch hervorzuheben:

  • Zum einen ist der Verwaltung durch unseren Antrag aufgegangen, daß sie ein Ratsinformationssystem braucht, da sie ansonsten viele Aufgaben nicht mehr hätte bewältigen können.
  • Zum zweiten wurde die Ehrenamtskarte in Kierspe eingeführt. Leider durch die Hintertür, nachdem unser Antrag auf Einführung vorher auf keine Gegenliebe in diesem Rat gestoßen war.
4. Was war nicht gut?

Lassen Sie mich hier stichpunktartig einiges nennen:

  • Die Änderung der Geschäftsordnung mit dem Ziel die Öffentlichkeit aus den Ausschußsitzungen auszugrenzen.
  • Die Blockade eines eigenständigen Umweltausschusses und die eher satirische Umfirmierung des „Um-Bau“-Ausschusses.
  • Das Verweigern der wichtigen Funktion eines Umweltbeauftragten.
  • Der Umgang mit der im wahrsten Sinne des Wortes „brenzligen“ Situation um die Leitung der Feuerwehr. Wir erwarten mit Spannung die Unterzeichnung des Arbeitsvertrages.
  • Das Geholpere um die Ehrenamtskarte. Hierzu fällt mir – frei nach Galileo – ein: „Und sie kommt doch!“
  • Und letztlich: das lange Schweigen zu den Spielhallen. Noch immer fehlt ein klares politisches Bekenntnis dafür oder dagegen von den Mehrheitsfraktionen und auch von Ihnen, Herr Bürgermeister!

Meine Damen und Herren der Mehrheitsfraktionen, sehr geehrter Herr Bürgermeister. Am heutigen Tage ist ein einmaliges Schlichtungsverfahren in der Geschichte Deutschlands zuende gegangen. Ich will das Ergebnis nicht bewerten, aber allein die Tatsache, daß es ein solches Verfahren gegeben hat, sollte Sie aufhorchen lassen! Gerade auch mit Hinblick auf die Diskussion um die vorgenannten Spielhallen sind viele Bürger dieser Stadt es leid, technokratisch und mit juristischen Nuancen über ihre Bedürfnisse und Empfindungen hinweg regiert zu werden.

Wir fordern Sie einmal mehr auf: Lassen Sie uns endlich abrücken von dem technokratischen Bürokratismus, der hier in Kierspe regiert. Lassen Sie uns endlich Freiräume schaffen, und die Emotionen und Bedürfnisse unserer Bürger wahr- und ernstnehmen! Lassen Sie uns politisch gestalten anstatt bürokratisch verwalten!

Wir haben es schon oft gesagt und werden es auch weiterhin sagen: Nicht alles, was juristisch machbar ist, ist auch Bürgerwille. Aber vieles was Bürgerwille ist, ist politisch auch machbar! Dazu bedarf es nur eines offenen Ohrs auf der Bürgerseite und dem Willen, auch mal schwierige Wege auf der Umsetzungsseite zu gehen. Entwickeln Sie endlich Visionen. Erlauben Sie sich selbst Phantasie! Bekämpfen Sie Ihre Krämerseele und Ihren Buchhalterverstand.

Den ersten Schritt haben Sie, Herr Bürgermeister, schon gemacht. Bleiben Sie jetzt bloß nicht stehen. Wir sind hochzufrieden, daß das Regionaleprojekt genutzt wurde, visionäre und zukunftsfähige Ideen zu entwickeln. Vor etwa 18 Monaten haben wir in einer öffentlichen Veranstaltung eine solche Ideensammlung bereits vorgestellt. Wir wünschen Ihnen und uns allen den Mut, so viel wie möglich davon umzusetzen. Damit Kierspe weiterhin Attraktivität erhält und gewinnt.

Heute steht der Haushalt 2011 zur Abstimmung. Seine Zahlen kann man nicht ablehnen, denn so wie 1 + 1 = 2 ist, stimmen auch hier die mathematischen Additionen. Dennoch sind die Summen das Ergebnis des politischen Handelns der letzten Jahre. Somit gibt es für uns keinen anderen Weg, als diesem Haushalt 2011 – wie im vergangenen Jahr auch – aus politischer Überzeugung unsere Zustimmung zu verweigern.

Im vergangenen Jahr ging es hier im Raum oft hoch her. Die politische Diskussion wurde recht lebhaft geführt. Aber so manches Mal – und da keimt Hoffnung auf – stand eher das Ergebnis im Mittelpunkt als die politische Heimat. Lassen Sie uns im kommenden Jahr weiter hart an der Sache diskutieren – aber bitte mit offenerem Visier. Die Bürger wollen nicht getäuscht und hinters Licht geführt werden, sondern offen und ehrlich die Zukunft ihrer Stadt gestalten.

Ich wünsche Ihnen allen eine geruhsame Adventszeit und ein gesegnetes Weihnachtsfest und Gesundheit für das kommende Jahr!

 


Freie Wählergemeinschaft Kierspe

Sachbezogen • Unabhängig • Bürgernah

Seit 2008

Geschäftsstelle

Haunerbusch 38

58566 Kierspe


Telefon:

eMail:


02359 295272

post @ fwg-kierspe.de

Impressum          Datenschutzerklärung