Haushalt 2010 wird abgelehnt.

Fraktionsvorsitzender Peter Christian Schröder macht den Bürgermeister und seine Wahlvereine für 6,6 Mio. Euro Schulden verantwortlich.

Nachdem der Bürgermeister in der Ratssitzung am 02.02.2010 den Haushalt 2010 einbrachte, stand dieser nun am 23.03.2010 zur Abstimmung. Unser Fraktionsvorsitzender, Peter Christian Schröder, hielt in der Ratssitzung am heutigen Tage folgende Haushaltsrede (es gilt das gesprochene Wort):

Peter Christian Schröder

Peter Christian Schröder

Sehr geehrte Kiersperinnen und Kiersper,
Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

der Grundansatz für eine Haushaltsplanung ist trivial: Jeder kommunale Haushalt muß ausgeglichen sein. Das bedeutet: Man kann nur so viel ausgeben, wie man auch einnimmt.

Der vor uns liegende Haushaltsplan 2010 widerspricht diesem Grundsatz jedoch diametral. Der Fehlbetrag von 6,6 Mio. Euro ist so groß, daß er – auch wenn man noch so kreativ ist – nicht mehr versteckt werden kann. Auch nicht fiktiv. Die gigantische Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben ist für uns unvorstellbar. Wenn ich den Fehlbetrag durch 365 dividiere, komme ich auf fast 18.100 Euro, die jeden Tag in unserer Stadt zu wenig eingenommen bzw. zu viel ausgegeben werden. 18.100 Euro. Jeden Tag!

Aber machen wir uns nichts vor: Fehlbeträge sind in Kierspe nicht wirklich neu. Bereits seit Jahrzehnten gelingt es unserer Stadt nicht, ihre Ausgaben durch entsprechende Einnahmen zu decken. Nur ist diese schlichte Wahrheit in den letzten Jahren erfolgreich ausgeblendet worden. Selbst in Zeiten der Hochkonjunktur waren wir nicht annähernd in der Lage, die Einnahmen- und Ausgabenseite übereinander zu bringen. So etwas nennt man strukturelles Defizit.

Zudem haben die fiktiv ausgeglichenen Haushalte der vergangenen Jahre zu einem Eigenkapitalverzehr in Höhe der kompletten Ausgleichsrücklage von 6,1 Mio. Euro geführt, die ja bekanntlich erst 2007 gebildet worden war. 6,1 Mio. Euro in drei Jahren verbraten und im vierten Jahr schon wieder mit 6,6 Mio. Euro Schulden dastehen. Das muß uns erst mal einer nachmachen! Vielen Dank dafür, Herr Bürgermeister!

Ich möchte an dieser Stelle ein bißchen Kaffeesatz lesen: Bereits 2008 haben wir darauf hingewiesen, daß die Finanztrickserei des Bürgermeisters im Zuge der Umstellung von Kameralistik auf NKF für Kierspe Nachteile hat, denn war er dadurch in der Lage, von der tatsächlichen und damals schon finanziell desaströsen Situation abzulenken und den Haushalt immerhin drei Jahre lang fiktiv auszugleichen. Das wiederum gab ihm die Möglichkeit, neue Schulden zu machen und z.B. mindestens 1,1 Mio. Euro in Östlich Rathaus zu verbuddeln, bislang 240.000 Euro für die Nordumgehung rauszuschmeißen und – last not least – eine Brücke für 450.000 Euro zu bauen, die wir gar nicht brauchen. Schon alleine das sind ca. 2 Mio. Euro, die wir heute an Schulden weniger hätten, wenn der Bürgermeister gut gewirtschaftet hätte. Er hat uns damals Kaffeesatzleserei vorgeworfen.

Auch der Haushalt 2009 hätte schon ein Schuldenhaushalt sein müssen, weil damals schon bekannt war, daß die Gewerbesteuer dramatisch einbricht. Die Kämmerer der Städte im nördlichen Märkischen Kreis rechneten damals bereits mit einem Rückgang der Gewerbesteuer um bis zu 40 Prozent. Hätte man den Ansatz um diese 40 Prozent gekürzt, wären das statt 5,7 Mio. Euro nur 3,42 Mio. Euro gewesen, was immer noch über dem Ansatz für 2010 mit 2,8 Mio. Euro liegt. Der Haushalt wäre damit bereits in 2009 nicht mehr auszugleichen gewesen. Das hätte aber bedeutet, daß wir bereits in 2009 in die Haushaltssicherung gekommen und solche Projekte wie Östlich Rathaus oder der Lausebergaufstieg nicht mehr realisierbar gewesen wären. So wären uns zumindest 1,4 Mio. Euro neuer Schulden erspart worden.

Kierspe lebt kontinuierlich über seine Verhältnisse.

Angesichts dieser Tatsache bleibt festzustellen: Wir leben in Kierspe kontinuierlich über unsere Verhältnisse. Oder anders gesagt: Wir leben auf Kosten kommender Generationen! Und damit müssen wir sicherlich auch weiter leben, denn selbst ohne die Wirtschaftskrise hätten wir den Haushalt bei konstanten Steuereinnahmen und Schlüsselzuweisungen bei weitem nicht ausgleichen können.

Die ständige Verletzung des Konnexitätsprinzips sorgt dafür, daß Kierspe aus dem strukturellen Defizit nicht herauskommt. Das ist nicht die Schuld irgendeines Kiersper Politikers. Die Tendenz des Bürgermeisters allerdings, mit dem Kopf durch die Wand rennen zu wollen, führte dazu, daß Kierspe jetzt noch stärker im Schuldensumpf angelangt ist, als es notwendig war. Unterstützt wurde und wird er bei diesen oft finanziell unkalkulierbaren oder zumindest völlig überteuerten Eskapaden von den meisten Fraktionen, allen voran aber natürlich seinen Wahlvereinen CDU, UWG und FDP. Die Beispiele dafür liegen klar auf der Hand und ich habe die herausragendsten vorhin schon genannt: Östlich Rathaus, Nordumgehung, Hammer Wiesen, Busknoten.

Noch dazu kommen dann solche unsinnigen Ideen wie die Verlegung des Rathauses, über die man angesichts unserer Finanzen überhaupt nicht reden muß. Auch das Einzelhandelskonzept muß in diesem Zusammenhang erwähnt werden und ich muß sagen, daß ich selten ein so offensichtliches Gefälligkeitsgutachten gesehen habe. Aber hierüber wird ja noch an anderer Stelle zu reden sein.

Die wirtschaftlich fetten Jahre, die hinter uns liegen, haben auch in Kierspe einen irrealen Wachstumsglauben gefördert. Besonders auf Bundes-, aber auch auf Landesebene – und selbst in Kierspe – wurden Leistungsversprechen gegeben, die jetzt eingelöst werden sollen, ohne daß es auch nur im Ansatz eine Finanzierungsgrundlage gibt. Der ohnmächtige Ruf auch aus diesem Ratssaal nach einer grundlegenden kommunalen Finanzreform verhallt seit vielen Jahren ungehört. In Anbetracht der Rekordverschuldung des Bundes und der Länder bedarf es nicht viel Phantasie, daß es auch in den nächsten Jahren keine finanzielle Linderung für die Kommunen geben wird. Im Gegenteil muß in absehbarer Zeit mit weiteren schmerzlichen Einschnitten gerechnet werden.

Fakt ist: Kierspe ist an einem Scheidepunkt angekommen. Es geht jetzt nicht mehr darum, was wir wollen, sondern nur noch darum, was wir noch können. Nach dem Beschluß dieses Haushaltplanes ist es klar, daß wir in die Haushaltssicherung abrutschen. Das bedeutet, daß mit einem Schlag freiwillige Leistungen in Kierspe auf dem Prüfstand stehen: Dazu gehören z.B. das Hallenbad und die Stadtbibliothek. Wer sich die Zahlen anschaut, wird feststellen, daß uns das Hallenbad ca. 200.000 Euro und die Stadtbibliothek 114.000 Euro im Jahr kosten. Wir können uns durchaus die Frage stellen: Nordumgehung oder Hallenbad und Stadtbibliothek? Wir sollten uns angesichts unserer maroder Finanzen doch möglichst darauf beschränken, das Vorhandene zu erhalten anstatt nicht vorhandenes Geld in Luftschlösser zu stecken, die wir nicht finanzieren können.

Die bittere Realität wird von den meisten hier im Rat vertretenen Fraktionen nicht erkannt. Stattdessen werden in Vogel-Strauß-Manier weiter fröhlich Schulden gemacht, die unsere Kinder dann teuer bezahlen müssen. Dieser Haushalt schreit förmlich nach einem fatalistischen "Weiter so", und eine vorgezogene Steuererhöhung riecht nach vorauseilendem Gehorsam und nicht nach ernsthaftem Sparwillen. Beides aber wollen wir nicht.

Personalabbau steht für uns nicht zur Disposition.

In diesem Zusammenhang möchte ich eine Forderung aufgreifen, die immer wenn das Geld knapp wird, in der Öffentlichkeit die Runde macht: Den Personalabbau. Die Stadtverwaltung Kierspe hat bereits unterdurchschnittlich niedrige Personalkosten. Im Märkischen Kreis liegen wir am unteren Ende der Liste. Aus diesem Grunde steht für uns der Personalabbau überhaupt nicht zur Disposition. Aber merke: Wer heute mit der Rasenmähermethode Personal abbaut und Arbeit gnadenlos verdichtet, riskiert demotivierte Mitarbeiter, einen erhöhten Krankenstand und oft Totalausfälle durch Burn Out oder andere ernsthafte Erkrankungen. Die dadurch entstehenden Folgekosten sind auch Kosten, die den Haushalt belasten. Wer also eine qualifizierte Verwaltung haben will, muß mit den Ressourcen der menschliche Arbeitskraft sorgsam und verantwortungsbewußt umgehen.

An dieser Stelle möchte ich den Mitarbeitern der Verwaltung herzlich danken, daß sie trotz eines Bürgermeisters, der nicht immer das richtige Händchen für die Mitarbeiterführung zu haben scheint, ausdauernd und gut ihre Arbeit machen. Danke sagen möchte ich besonders auch dem Kämmerer, Herrn Gebhardt, für seine handwerklich sehr gut gelungene Auf- und Vorstellung des Haushaltsplanes. Wenn Sie jetzt in Rente gehen, Herr Gebhardt, haben Sie sich das redlich verdient und im Namen der Pro Kierspe Fraktion wünsche ich Ihnen einen guten Ruhestand und Gottes Segen.

Finanzielle Handlungsfähigkeit wiedergewinnen.

Die zentrale Frage, die uns in den nächsten Legislaturperioden beschäftigen wird, ist aber unbestreitbar: "Wie können wir die finanzielle Handlungsfähigkeit unserer Stadt wiedergewinnen?" Wir werden uns Gedanken machen müssen um eine nachhaltige Stadtpolitik, die auch künftigen Generationen noch Gestaltungsspielräume ermöglicht.

Dabei ist auf die Erhaltung einer angemessenen und tragfähigen sozialen und kulturellen Infrastruktur und Grundversorgung zu achten. Hier sind jedoch vor allem auch Bund und Land gefordert: Ohne eine konsequente Einhaltung des Konnexitätsprinzips und eine dauerhaft wirksame Reform der Gemeindefinanzierung sind die derzeitigen Probleme Kierspes nicht zu lösen! Aber – wie schon gesagt – damit ist auf Dauer nicht zu rechnen. Den Kopf in den Sand stecken dürfen wir trotzdem nicht. Das Gegenteil ist der Fall:

Ein erster Schritt zur Wiedergewinnung der finanziellen Handlungsfähigkeit ist die Rückkehr zum Blick auf das Große Ganze. Seit Jahrzehnten bereits werfen wir Geld zum Fenster raus, weil wir keine Konzepte haben, wohin Kierspe sich überhaupt entwickeln soll und kann. Warum packen wir nicht endlich mal ein wirkliches Stadtentwicklungskonzept an, das seinen Namen auch verdient, anstatt immer nur verzweifelt Ausschau zu halten, wo noch ein Gewerbegebiet entstehen oder wo man noch Wohngebiete plazieren könnte, die man im Zweifel gar nicht braucht? Andere Städte wie Altena oder auch Drolshagen haben es uns längst vorgemacht, wie so etwas geht.

Ein zweiter Schritt sollte die Optimierung von Arbeitsabläufen und Organisationsstrukturen innerhalb der Verwaltung sein. Hier sollten verstärkt die neuen technischen Möglichkeiten wie z.B. ein Ratsinformationssystem genutzt werden, um mehr Effizienz und eine größere Kundenfreundlichkeit zu erreichen. Zudem sollten die Sachgebiete eigenverantwortlicher geführt werden, so daß jeder Mitarbeiter in seinem Sachgebiet seine Kompetenzen verantwortlich einsetzen und engagiert handeln kann. Das motiviert die Mitarbeiter und fördert Vertrauen beim Bürger.

Die Frage, wo und wie man etwas zum Wohle der Kiersperinnen und Kiersper verbessern kann, muß im alltäglichen Handeln der Verwaltung ein Automatismus werden. Der bisher noch oft zu hörende Grundsatz, "das haben wir schon immer so gemacht" oder "das lief doch immer gut", gehört in die Mottenkiste. Es geht darum, Bewährtes zu bewahren und Störendes zu ändern oder abzuschaffen.

Ein dritter Schritt sollte die Überprüfung aller geplanten Projekte sein, ob die dadurch hervorgerufenen Folgekosten erwünscht und verantwortbar sind. Dies gilt insbesondere für Großprojekte wie neue Straßen oder Baugebiete sowie den möglichen Kauf neuer Immobilien. Wir lehnen solche Projekte ebenso ab wie Neuausweisungen von Wohnbau- und Gewerbeflächen auf der grünen Wiese, bevor nicht alle Potentiale aus Nachverdichtungen, Baulückenschließungen sowie Flächenrecycling ausgeschöpft wurden.

Ein vierter Schritt ist die Herstellung von Transparenz in Rat und Verwaltung. Entscheidungen müssen nachvollziehbar und weitestgehend öffentlich sein. Die Kiersper Bürgerinnen und Bürger interessieren sich in hohem Maße für die Entwicklung unserer Stadt und bringen sich oft genug mit eigenen Ideen und Vorstellungen für ihr Umfeld ein. Dieser Wunsch nach Partizipation ist eine Ressource, die momentan nur in unzureichendem Maße genutzt wird. Oft genug wurde sogar der Versuch unternommen, den Bürgerinnen und Bürgern die Mitsprache zu erschweren.

Wir haben diese Transparenz in der Vergangenheit oft schmerzlich vermißt: Warum beteiligt man den Bürger nicht schon in der Planungsphase, bevor man ihm eine Durchgangsstraße durch seinen Garten plant? Warum verbietet man dem Bürger in den Ausschüssen das Wort? Warum wird immer noch soviel hinter verschlossenen Türen in sog. Interfraktionellen Runden besprochen, anstatt dort wo es eigentlich hingehört: in den Rat und die Ausschüsse? Wir brauchen eine Kultur der Mitsprache und der offenen Diskussion, denn eine gute Kommunalpolitik setzt die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger und die Berücksichtigung ihrer Ideen und ihres Wissens voraus.

Pro Kierspe lehnt den Haushalt 2010 ab.

Die Finanzen unserer Stadt werden uns allen, die wir hier sitzen, noch manche schlaflose Nacht und manchen Schlagabtausch bescheren. Wir jedenfalls werden weiter in offenem Gedankenaustausch mit den Bürgern unserer Stadt die Themen anpacken, die uns für Kierspe von zentraler Bedeutung erscheinen und dabei auch vor heißen Eisen und vermeintlichen Tabus nicht zurückschrecken. In dieser für Kierspe prekären Situation muß alles – wirklich alles – auf den Prüfstand.

Meine Damen und Herren – wir befinden uns vor dem Abgrund, und es ist für unsere und insbesondere für die Zukunft der kommenden Generationen, unerläßlich, das nun alle, Verwaltung, Rat und Bürger, eine Brücke in die Zukunft schlagen.

Genau das, Herr Bürgermeister, tun sie aber nicht, denn dieser Haushalt 2010 ist ein weiterer Schritt in Richtung Abgrund und bildet nur die "Weiter so"-Politik von Ihnen und Ihrer Mehrheitsfraktionen ab. Sie schaden damit der Stadt Kierspe! Wir werden das selbstverständlich nicht unterstützen und den Haushalt, das aus unserer Sicht völlig ungenügende Haushaltssicherungskonzept und auch Steuererhöhungen, die wohl nur dazu dienen würden, das "Weiter so" zu untermauern, ablehnen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 


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